„raUMgeben“ – aktuelle Kunst im Buchlerhaus. Die gezeigten Exponate verschmelzen mit dem Raum

Die Räume des barocken Buchlerhauses in Gerlachsheim haben eine ganz eigene, besondere Atmosphäre. Sie atmen fast 300 Jahre Geschichte und rufen durch ihren noch unfertigen Zustand nach Bearbeitung.
Bei der noch am kommenden Wochenende geöffneten Kunstausstellung, die von vier
Kunstschaffenden ausgestattet wurde, gehen Kunst und Haus gehen eine intensive, elementare Verbindung ein. Das war von vorneherein das Konzept, welches Uwe Stephan für diese Ausstellung und Installation aktueller Kunst umsetzen wollte. Alle vier Künstler wollten bewusst im Buchlerhaus ausstellen, haben sich ihren eigenen Raum selbst ausgesucht und nahmen genau diese vier Wände als Ausgangspunkt für ihre Arbeiten.

 Fotografien-Gruppe von Nikolaus Seubert

Nikolaus Seubert, Bildhauermeister, Restaurator, lebt seit 1980 in Berlin. Er stammt aus Uissigheim und kennt das Buchlerhaus seit es KulturGut e.V. übernommen hat. Er hat sich den großen Saal ausgesucht. Die Fensterfront flutet den Raum mit Licht und öffnet ihn – wie kann es für ein Weinhändlerhaus anders sein – in Richtung Herrenberg mit seinen Weinbergen. Seubert gestaltet die anderen Wände und öffnet sie. Seine sensiblen Fotoarbeiten sind ebenso Fenster mit Rahmen und Glasscheibe. Die Spiegelungen in den Scheiben der Bilderrahmen sind erwünscht, sie korrespondieren mit den Fensterscheiben und schaffen die Raumverbindung. „Ordnung im Chaos“ hat Nikolaus Seubert seine Auswahl tituliert.  Mit Chaos mitgemeint ist natürlich auch das Unfertige des Raumes, in den die Hängung in Gruppen, überlegt geometrisch, sozusagen Ordnung bringt. Die Fotomotive sind oft überraschende Ausschnitte aus verschiedenen Wirklichkeiten. Sie bleiben für den Betrachter offen, offene Fenster für seine Fantasie. Und sie überraschen und fordern heraus. Diese Fotografien sind starke Bilder, die Bilder erzeugen.

Ausschnitt der Installation von Rosemarie Lux

Den zweiten Raum „bespielt“ Rosemarie Lux aus Lauda, selbständige Buchhändlerin, Mitinhaberin der – kürzlich preisgekrönten – Buchhandlung Moritz und Lux. Sie war sofort fasziniert von einer ganz bestimmten Wand, die besonders stark die Patina vergangener Zeit trägt. Diese Wand lässt viele Farb- und Tapetenschichten erkennen, die sich überlagern und in unregelmäßigen Mustern schrundig wurden und abblättern. „Entsprechungen“ nennt Lux ihre Bilderinstallation. Sie treibt mit dem kunstsinnigen Betrachter ein Verwirrspiel, indem sie Detailfotos von dieser Wand ihrer, an genau dieser Wand angebrachten, Bilderserie zugrunde legt. Zu sehen sind da ein, der interessanten Farb- und Formenvorgabe nachempfundenes Gemälde, ebenso wie entsprechende reizvolle Übermalungen (eines ihrer Spezialgebiete), aber auch –
kaum zu identifizieren – eine im gleichen Rahmen gefasste Fotografie. Und um die Serie noch einmal zu erweitern und damit die erfasste Realität, hat sie auch reale Details der Wand selbst gerahmt und so ein sinniges und absolut einmaliges Gesamtkunstwerk geschaffen.

Detail der Rauminstallation von Uwe Stephan
Drahtgespinst-Gesichter von Lothar Lempp

Das Eckzimmer mit Blick in den Innenhof hat sich Lothar Lempp zueigen gemacht.
Die unverhängten Fenster halten die reale Raumsituation präsent. Lothar Lempp, wohnhaft in Bad Mergentheim, studierter Künstler und Bildhauer, passionierter Theatermann, mehrere Jahre Kunst- und Werklehrer, bevor es ihn zum freien Schaffen drängte. Erst vor kurzem hat er im Buchlerhaus vor begeistertem Publikum mit seinem Figurentheater sein Stück „Schlimmes Ende“ aufgeführt. Der Künstler nennt seine Installation „Erinnerungsgespinste“. Ein schwebender Pferdetorso, eine Schwebetreppe aus dem Nichts ins Nichts, oder vielleicht eine Himmelsleiter (?), ein barockes Bettgestellt mit eingearbeitetem Reben- und Traubenmuster, ein barocker Stuhl, ein Sensenmann mit Stundenglas, ein Wagen beladen mit Fässern. Die filigranen Raum-Drahtplastiken, welche die konkrete Form teilweise nur andeuten, eignen sich hervorragend, im Betrachter ganz eigene Assoziationen und Bildwelten hervorzurufen. Dass Lempp ganz unaufdringlich zwei Ecken des Raumes besetzt, zeigt seine Zwiesprache mit der Umgebung des Raumes und seiner Geschichte. Weinmotiv und Fässer im Weinhändlerhaus, der Sensenmann – wichtiges Bildelement und Symbol für das Lebensgefühl in der Zeit des Barock.

In der zweiten Ecke zeigt Lothar Lempp Gesichter, (materialbedingt) nur angedeutet und ineinander verschmelzend. Hausgeister (?), oder die Schemen der so zahlreichen Menschen, die in diesem alten Haus ihren Lebensmittelpunkt hatten, da, wo Freud und Leid, Geburt und Tod und alles Menschliche erfahren wurde. –



Der Besucher ist aufgefordert, auf seinem persönlichen Rundgang sich selbst ein
Bild zu machen. Im Buchlerhaus Gerlachsheim, Würzburger Str. 40, ist die Ausstellung am Samstag 3.10. und Sonntag 4.10. noch einmal von 15 – 18 Uhr geöffnet. Die Besucher haben Gelegenheit, bei einer Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen, die Eindrücke nachklingen zu lassen. Am Sonntag werden außerdem alle vier Künstler präsent sein.