“Worte wie Zaubermusik” – Beeindruckender Abend bei Lyrik und Jazz im Buchlerhaus

Ein Hörgenuss ganz besonderer Art wurde den Freunden der Lyrik und des Jazz im Buchlerhaus in Gerlachsheim geboten: Dorothee Goericke verzauberte mit ihren in den letzten Jahrzehnten verfassten Gedichten, die Texte gespiegelt im exzellenten Klavierspiel von Wolfgang Goericke.
Es sei ihnen ein Anliegen, so das Ehepaar Goericke, die Arbeit der Mitglieder von KulturGut e.V. zu unterstützen, alle “die versuchen mit viel Engagement, Liebe, unendlich viel Zeit, viel Geduld und wenig Zuschüssen dieses alte Gemäuer zu restaurieren und mit Veranstaltungen zu beleben.” Dass dies bei dieser Veranstaltung gelungen war, zeigte die große Zahl an Zuhörern, die den Weg ins Buchlerhaus gefunden hatten. Dazu beigetragen hatte sicherlich auch das lustige, von Elena Seubert eigens entworfene Einladungsplakat.

Gleich zu Beginn wurden alle gestärkt für das Benefiz-Wortkonzert mit Worten bzw. Buchstaben, die man “schmecken”, auf der Zunge zergehen lassen konnte. Wer wie empfohlen die Augen geschlossen hielt, konnte dann beim Gedicht “Gezeiten” die Wellen “rollen, donnern, rauschen, grollen, …” in Wort und Musik hören und vor dem inneren Auge das Meeresrauschen sehen. Spontane Improvisationen über passende Harmoniefolgen und wechselnde Rhythmen ermöglichten dabei das Nachsinnen über die Worte.
Passend zu unserer Baustelle Buchlerhaus, spricht Dorothee Goericke in ihren Gedichten auch immer wieder die “Weltbaustelle” an, so der Vorsitzende des Vereins KulturGut e. V., Josef Seubert, in seinen einleitenden Worten.

“Gezeiten / verraten unser Tun / bezeugen unser Versagen./ Die Meeresschätze am Rand / sprechen eine neue Sprache: / Plastiktüten – Glasflaschen – Ölklumpen – Vogelleichen …/ Gezeiten – haben wir noch Zeit?”

Der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, dem 1. Weltkrieg, sei sie durch die eigene Biographie verbunden, so Frau Goericke. Diese Betroffenheit ließ sich im Gedicht “Verdun” erspüren, kongenial im Klavierspiel mit der deutschen und französischen Nationalhymne verwoben: “…Kaum einer spürt / wie die Knochen tanzen / wie der Sensenmann / die Polonaise führt / vor der Kulisse / von tausend Kreuzen / mathematisch / in Reih und Glied. / Ist die Rechnung aufgegangen? Für wen?”

Weniger um Rechnungen als um Hoffnungen ging es dann im Gedicht “Säugling”, der Vortrag fröhlich beschwingt begleitet am Klavier: “Wohlig räkelst du dich / in deiner Welt. / Wird sie dich tragen, umfangen, beglücken, / dich schützen vor allen Abgründen / und Himmelsleitern?”

Die Antwort auf diese Fragen blieb offen, musste offen bleiben, kann doch das Leben nicht vor allem schützen und schon gar nicht vor dem Alter und möglichen Krankheiten, etwa der “Demenz”: “.. Du hast deine Stimme verloren, / die Worte verschluckt. / Deinen Augen fehlt der Glanz, / dem Gesicht das Lächeln. / Deine Schritte taumeln, / die Hände zittern. / Dein Erinnerungsmeer spült seine Schätze / in jeden Tag. /..”.

Ein Hoffnungsanker kann hier der Glaube sein, den das Ehepaar Goericke im Gedicht “Gebet” thematisierte. Dabei hatte die Musik nicht nur den begleitenden, den vor- bzw. nachbereitenden Part, sondern das Klavierspiel führte zunächst ein eindringliches Motiv durch verschiedene Tonarten aus und erst dann folgte der Vortrag der Worte: “… Verankere uns fest in deinem Plan – / sei du unser Uhrgehäuse, / der Halt im Taumel, / die Kraft im Wurf, / das Ziel im Schwung.”

Mit dem abschließenden Gedicht “Worte” ging ein Benefiz-Wortkonzert zu Ende, das noch lange nachklingen dürfte: “… Worte sind Waffen im ewigen Kriege der Welt. / … Worte, / sie rauschen und tönen wie Zaubermusik, / sie trösten und heilen, / Worte sind mächtig, / sie sind Verderben und Rettung zugleich.”

Ein kleines Dankeschön für das Geschenk dieses Abends wurde dann noch am Schluss vom Vereinsvorsitzenden übergeben: Ein Strauß bunter, fair gehandelter Rosen, “bunt wie das Leben und die wunderbaren Gedichte”, zusammen mit einem möglichst gemeinsam zu genießenden Sekt.

Dr. Andrea Decker-Heuer